Bibliothek der Fränkischen Stiftungen | Halle | 2010
Zulaikha | Ringelblume
Nevena – Nevin – Ringelblume
Fundstücke
Handschrift mit Illustrationen, gebunden in einer Mappe
Mappe, 17 cm x 15,3 cm, grau-braun
5 Bögen Papier zum Teil beidseitig beschrieben, Handschrift und Zeichnung Tusche auf geglättetem Papier
Abbildungen: Das Motiv der Ringelblume durchzieht alle 5 Blätter.
Fundort
Bibliothek der Fränkischen Stiftungen in Halle, Osmanische Handschriften, 15.7.2010
Das Band des Versprechens löste ich ein
und folgte des Vetters Vertrauten.
Musahip – Bruder in Ewigkeit.
Im Zentrum saß einer auf einem Fell,
von Männern und Frauen umgeben.
Dort gesteht Zulaikha den Griff nach dem Kleid.
Nimmt Abschied vom alten Leben.
Vierzig ist die Zahl der Geduld,
erhebe dein Herz,
dreh dich im Kreis,
ein Schmetterling dem Licht entgegen.
Nevena, Blatt 4
Das Band des Versprechens löste ich ein
und folgte des Vetters Vertrauten.
Musahip – Bruder in Ewigkeit.
Im Zentrum saß einer auf einem Fell,
von Männern und Frauen umgeben.
Dort gesteht Zulaikha den Griff nach dem Kleid.
Nimmt Abschied vom alten Leben.
Vierzig ist die Zahl der Geduld,
erhebe dein Herz,
dreh dich im Kreis,
ein Schmetterling dem Licht entgegen.
Nevena, Blatt 4
Bildinfo »
„Nevena“ | 5 Bögen zum Teil beidseitig beschrieben, Handschrift und Zeichnung | Tusche auf geglättetem Papier | 16,3 x 29,5 cm | 2010
Blatt 1:
Ringelblume, ganze Pflanze mit drei geöffneten Blüten
Handlungsanweisung für den christlich orthodoxen Glaubensritus aus der Perspektive eines Kindes
Blatt 2:
Pflanzenausschnitt mit 3 Knospen und 2 verwelkten Blüten
Beschreibung aus der Praxis der Knabenlese (devşirme)
Blatt 3:
Blüte, Samenstände und einzelne Samen
Gleichnis für Geduld, dem Sufismus entlehnt
Blatt 4:
Einzelne Blüte mit Blütenblättern wie Sonnenstrahlen
Beschreibung des Initiationsritus des Bektasi Ordens
Blatt 5:
Pflanzendickicht
Gedicht von Mevlana Rumi, Dichter, Philosoph und Mystiker
Analyse
Die Aufzeichnungen tragen die Züge intimer Selbstgespräche. Im ersten Text spricht sich die Autorin mit Nevena – Ringelblume an, ein Mädchenname, der in Serbien gebräuchlich ist.
Von herausragender Bedeutung ist der 4. Textabschnitt. Es handelt sich um die Beschreibung des Initiationsritus des Bektaşi Ordens, das Ritual der Vereinigung – „ayim i cem“. Die Feier wird streng geheim abgehalten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung von Zulaikha. Vor der Zeremonie wird eine Art Gerichtsverhandlung abgehalten, bei der alle Beteiligten die Gelegenheit haben, ihre Vergehen zu bekennen und frei in einen neuen Lebensabschnitt einzutreten.
Die Beschreibung des Bekreuzigen entspricht dem Ritual der Ost-Kirche und lässt auf einen orthodoxen Familienhintergrund der Autorin schließen.
Der zweite Text beschreibt die devşirme (Knabenlese), eine Praxis aus der osmanischen Herrschaftssicherung. Kinder nicht muslimischer Untertanen wurden als Tribut genommen. Entgegen der Härte gegenüber betroffenen Familien bedeutete die Rekrutierung für die Kinder meist sozialer Aufstieg. Die Talentiertesten durchliefen die Palastschule auf dem Weg in höchste Staatsämter oder begannen eine militärische Laufbahn im Eliteheer, den Janitscharen. Sie wurden nach islamischen Grundsätzen zur absoluten Loyalität gegenüber dem Herrscher erzogen. Unter ihnen gewann der Orden der Bektaşi zunehmend an Einfluss. (Josef Matutz)
Die Autorin ist zur Zeit der Niederschrift dem Umfeld gebildeten Sufismus zuzurechnen. Das Spinnrad als Metapher für den „dikr“ (Gottgedenkens) entspricht diesem Gedankengut. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Handschrift ist bis zum derzeitigen Datum noch nicht abgeschlossen. Weitere Untersuchungen können noch andere bedeutende Aspekte zutage fördern
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Die Aufzeichnungen tragen die Züge intimer Selbstgespräche. Im ersten Text spricht sich die Autorin mit Nevena – Ringelblume an, ein Mädchenname, der in Serbien gebräuchlich ist.
Von herausragender Bedeutung ist der 4. Textabschnitt. Es handelt sich um die Beschreibung des Initiationsritus des Bektaşi Ordens, das Ritual der Vereinigung – „ayim i cem“. Die Feier wird streng geheim abgehalten. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung von Zulaikha. Vor der Zeremonie wird eine Art Gerichtsverhandlung abgehalten, bei der alle Beteiligten die Gelegenheit haben, ihre Vergehen zu bekennen und frei in einen neuen Lebensabschnitt einzutreten.
Die Beschreibung des Bekreuzigen entspricht dem Ritual der Ost-Kirche und lässt auf einen orthodoxen Familienhintergrund der Autorin schließen.
Der zweite Text beschreibt die devşirme (Knabenlese), eine Praxis aus der osmanischen Herrschaftssicherung. Kinder nicht muslimischer Untertanen wurden als Tribut genommen. Entgegen der Härte gegenüber betroffenen Familien bedeutete die Rekrutierung für die Kinder meist sozialer Aufstieg. Die Talentiertesten durchliefen die Palastschule auf dem Weg in höchste Staatsämter oder begannen eine militärische Laufbahn im Eliteheer, den Janitscharen. Sie wurden nach islamischen Grundsätzen zur absoluten Loyalität gegenüber dem Herrscher erzogen. Unter ihnen gewann der Orden der Bektaşi zunehmend an Einfluss. (Josef Matutz)
Die Autorin ist zur Zeit der Niederschrift dem Umfeld gebildeten Sufismus zuzurechnen. Das Spinnrad als Metapher für den „dikr“ (Gottgedenkens) entspricht diesem Gedankengut. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Handschrift ist bis zum derzeitigen Datum noch nicht abgeschlossen. Weitere Untersuchungen können noch andere bedeutende Aspekte zutage fördern
Bildinfo »
Detail der Vitrine mit der Handschrift von „Nevena“| Installation in der Ausstellung „… wer aber sah auf Zulaikhas zerrissenes und zerstörtes Herz?“ im Muzej Sarajeva | Sarajevo, Bosnien-Herzegowina | 2011