Lesesaal der Universitätsbibliothek Pécs | Ungarn | 2010
Zulaikha | Hyazinthe
Sümbül – Hyazinthe
Fundstücke
Mappe, 22 cm x 16 cm, grün
5 Bögen, beidseitig beschrieben, je eine Seite Schrift und eine Seite Illustration, Tusche und Gouache auf geglättetem Papier
Abbildungen: Das Motiv der Hyazinthe ist auf allen 5 Blättern in verschiedenen Stadien von der Zwiebel bis zur ganzen Pflanze zu sehen.
Er kam zu uns wie einst Josef nach Ägypten kam.
Wir gaben ihm Kleider,
wir gaben ihm ein Dach über dem Kopf.
Und als wir sahen, dass Gott ihn alles gelingen ließ,
übergaben wir ihm die Schlüssel des Hauses.
Siebzehn Jahre war er alt,
schlank sein Wuchs einer Zypresse gleich,
Hyazinthen formten seine Locken.
Er ließ es sich wohl sein.
Wen würde es wundern,
ich erhob meine Augen zu ihm.
Hätte ich es unterlassen können?
Sumbül, Blatt 2
Er kam zu uns wie einst Josef nach Ägypten kam.
Wir gaben ihm Kleider,
wir gaben ihm ein Dach über dem Kopf.
Und als wir sahen, dass Gott ihn alles gelingen ließ,
übergaben wir ihm die Schlüssel des Hauses.
Siebzehn Jahre war er alt,
schlank sein Wuchs einer Zypresse gleich,
Hyazinthen formten seine Locken.
Er ließ es sich wohl sein.
Wen würde es wundern,
ich erhob meine Augen zu ihm.
Hätte ich es unterlassen können?
Sumbül, Blatt 2
Bildinfo »
„Sumbül“, 5 Bögen, beidseitig beschrieben, je eine Seite Schrift und eine Seite Illustration | Tusche und Gouache auf Papier, stark vergilbt, Flecken | 20 x 15,4 cm | 2010
Blatt 1:
blühende Hyazinthe, ganze Pflanze, Beschreibung der Pflanze
Blatt 2:
Hyazinthenblüten, Beschreibung eines jungen Mannes nach der Geschichte von Josef und der Frau seines Herren (Zulaikha) aus der Bibel und dem Koran
Blatt 3:
Blumenzwiebel, Beschreibung einer Abendstimmung in einer Kleinstadt
Blatt 4:
Querschnitt einer Blumenzwiebel, Gedicht von Mevlana Rumi, Dichter, Philosoph und Mystiker
Blatt 5:
verblühte Hyazinthe, ganze Pflanze, Beschreibung des Sema, Tanzritual der Mevlana Derwische
Analyse
Die vorliegende Handschrift stammt aus dem Nachlass einer Frau oder Tochter eines Paschas. Die im Text enthaltenen serbokroatischen Lehnwörter lassen einen entsprechenden Familienhintergrund vermuten.
Wissenschaftlich von besonderem Interesse ist das zweite Gedicht, die Adaption des „Josef und Zulaikha“ Gleichnisses.
Hierin folgt die Autorin dem Midrasch, der jüdischen Sammlung von Auslegungen der „Heiligen Schrift“, die besonders zur Rechtsfindung herangezogen werden. Bemerkenswert ist die Rechtfertigungsstrategie der eigenen Situation in Analogie zum biblischen Stoff. Mit der Hyazinthenblüte als Bild für prächtige Haarlocken bedient sich die Autorin eines klassischen Bildes orientalischer Dichtung. Die Autorin ist sowohl mit dem Schrifttum des klassischen Judentums als auch mit dem der islamischen Mystik vertraut. Die Beschreibung des Sema-Rituals und das Gedicht von Mevlana Rumi geben darauf einen eindeutigen Hinweis. In Pécs, dem Fundort, war die einzige bekannte Niederlassung des Mevlevi-Ordens im damaligen osmanischen Teil Ungarns. Die Handschrift kann sowohl als Niederschrift für den persönlichen Gebrauch als auch als Teil eines Briefwechsels gelesen werden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Konvolutes ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Weitere Untersuchungen werden eine präzise Zuordnung zulassen.
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Die vorliegende Handschrift stammt aus dem Nachlass einer Frau oder Tochter eines Paschas. Die im Text enthaltenen serbokroatischen Lehnwörter lassen einen entsprechenden Familienhintergrund vermuten.
Wissenschaftlich von besonderem Interesse ist das zweite Gedicht, die Adaption des „Josef und Zulaikha“ Gleichnisses. Hierin folgt die Autorin dem Midrasch, der jüdischen Sammlung von Auslegungen der „Heiligen Schrift“, die besonders zur Rechtsfindung herangezogen werden. Bemerkenswert ist die Rechtfertigungsstrategie der eigenen Situation in Analogie zum biblischen Stoff. Mit der Hyazinthenblüte als Bild für prächtige Haarlocken bedient sich die Autorin eines klassischen Bildes orientalischer Dichtung. Die Autorin ist sowohl mit dem Schrifttum des klassischen Judentums als auch mit dem der islamischen Mystik vertraut. Die Beschreibung des Sema-Rituals und das Gedicht von Mevlana Rumi geben darauf einen eindeutigen Hinweis. In Pécs, dem Fundort, war die einzige bekannte Niederlassung des Mevlevi-Ordens im damaligen osmanischen Teil Ungarns. Die Handschrift kann sowohl als Niederschrift für den persönlichen Gebrauch als auch als Teil eines Briefwechsels gelesen werden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Konvolutes ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Weitere Untersuchungen werden eine präzise Zuordnung zulassen.
Bildinfo »
Vitrine mit der Handschrift von „Sumbül“ mit Übersetzung | Installation in der Ausstellung „… wer aber sah auf Zulaikhas zerrissenes und zerstörtes Herz?“ im Muzej Sarajeva | Sarajevo, Bosnien-Herzegowina | 2011